zu allen zeiten schon fielen die witwen-
und waisenrenten recht spaerlich aus und so verwunderte
es nicht, dass eine mutter mit ihren beiden kindern in einer
sehr bescheidenen standardunterkunft hausen musste,
mitten im wald und die einzige gemuetserhellende verschoenerung
der immobilie waren zwei ziergehoelze:
rosenstoecke - einer mit roten und einer mit weissen blueten.
die stoecke waren recht brauchbare gleichnisse fuer die
beiden toechter: die eine rot und wild, die andere weiss
und von gezuegelterem temperament.
doch beiden gemein war ein guetiges herz und jenes bewirkte
ganz ohne zutun generationenvertraglicher gaengelei eine
liebevolle obhut der mutter.
eines besonders kalten winterabends sassen die drei wie
stets am waermenden kaminfeuer, als ein recht grobes poltern
und klopfen an der tuer zu vernehmen war.
die maedchen erschraken, doch die mutter trug rosenrot auf,
furchlos nachzusehen, wer einlass begehre.
rosenrot oeffnete die tuer, und obwohl damals noch nicht
an unliebsame vertreterscharen oder ambitionsvolle gesinnungsverbieger
zu denken war, erwies sich der gast denoch als schreckeinfloessend:
ein maechtiger baer mit dicken, zotteligen, braunen fell
brummte in die huette hinein. seine augen huschten zum waermespendenden
ofen, sein leib schien zu zittern durch die kaelte, die
draussen herrschte.
rosenrot erschrak so sehr, dass sie fuer einen moment die
farbanmutung ihrer schwester adaptierte.
doch bevor das maedchen sich sammeln konnte, erhob der baer
seine stimme und zur allgemeinen ueberraschung dragen menschliche
laute an die ohren der 3 damen.
er klagte ueber die kalte nacht und verlautbarte, dass er
hunger habe und dass er einen unterschlupf suche, um dem
frost fuer ein paar stunden entfliehen zu koennen.
die mutter erbarmte sich dem pelzigen gesellen und bat ihn
hinein, auf dass er sich am feuer waermen moege.
und auch die maedchen verloren recht schnell ihre scheu.
sie fegten dem baeren den schnee aus dem fell, kaemmten
ihm die zotteln seidig und betrieben allerhand uebermuetigen
schabernak mit ihm. des morgens verabschiedete sich der
baer, aber er fragte, ob er am abend wiederkommen koenne.
und die mutter schlug es ihm nicht aus.
und so war der baer taeglicher gast - bis das fruehjahr
anbrach.
der baer meinte, er muesse nun hinaus und nach seinen
schaetzen sehen, denn wenn die sonne die erde auftauen
liess, kaemen auch die garstigen, listigen zwerge zutage
und sie wuerden stehlen, was ihnen zwischen die kleinen
fingerchen kaeme.
der abschied vom liebgewonnenen gefaehrten schmerzte,
aber die maedchen verstanden den baeren und liessen ihn
ziehen.
geschwind vertrieb der fruehling den kalten winter und
die schwestern konnten nun immer oefter frohsinnig durch
den wald spazieren.
eines tages vernahmen sie ein jaemmerliches gekeife auf
ihrem weg hin zur huette. ein winzig kleines maennlein
hatte sich beim holzschlagen den bart eingeklemmt und
es ward ihm unmoeglich, sich von alleine zu befreien.
er bemerkte die maedchen, doch statt hoeflich um hilfe
zu bitten, beschimpfte er die beiden und herrschte sie
an, etwas zu unternehmen, dass ihn aus seiner misslichen
lage befreite.
okay, jeder hat mal einen schlechten tag, also ignorierten
die schwestern die boshaftigkeit des geschoepfes und zogen
mit allen kraeften an seinem bart. doch das haar stak
so fest im gespaltenen stamm, dass sie den zwerg nicht
befreien konnten. eine tirade an beschimpfungen, allesamt
thematisch auf inkompetenz und unvermoegen gelenkt, prasselte
auf rosenrot und schneeweisschen hernieder.
doch dann kam der einen die rettende idee. die gute schere
koenne die loesung herbeifuehren.
und so zog schneeweisschen die schere hervor und durchtrennte
das barthaar. doch statt dankbar zu sein ueber die erlangte
freiheit, ergoss ich weiterer zorn ueber die maedchen.
die wege trennten sich wieder.
eines weiteren tages jedoch hoerten die maedchen abermals
schallendes gewetter, diesmal ertoente es aus dem gebuesche
nahe des flusslaufes.
die schwestern eilten hinzu und sie fanden ihren unmanierlichen
bekannten. diesmal hatte sich sein recht unpraktischer
bart in der angelschnur verheddert und der grosse fisch
am anderen ende war dabei, den winzling hinein in die
fluten zu ziehen.
die maedchen hatten die undankbarkeit von letztens nicht
vergessen, doch sie waren nicht nachtragend und ihr herz
war voller mitgefuehl.
sie halfen abermals, hielten den zwerg fest und verhinderten,
dass der fisch als sieger hervorgehen konnte.
doch wieder war es unmoeglich, den bart zu befreien. zu
sehr hatte er sich mit der schnur verflochten.
also zueckte schneeweisschen abermals ihr schneidinstrument
und mit einem schnipp hatte der zwerg seine freiheit wieder.
doch diesmal bediente er sich noch uebeleren farbigen
metaphern, um die retter zu schelten, jammerte in blinder
eitelkeit ueber die reduzierte bartpracht.
doch bevor er abermals entrann, zerrte er aus dem schilf
eine kiste voll mit edelsteinen heraus und er klemmte
sich seinen schatz mit gierigkeitsausdrueckender koerpersprache
unter die duennen aermchen.
die maedchen hatten sich an seine ungerechte weise gewoehnt
und schnell vertrieben die sonne und das flirren der fruehlingsluft
ihren aerger.
eines weiteren tages hoerten sie hoch am himmel das schreien
eines maechtigen adlers.
die maedchen eilten hinzu und sie sahen direkt unter dem
adler ihren mit daueruebellaunigkeit behafteten bekannten.
er waehnte sich unbeobachtet und er ergoetzte sich an
seinen vielen schaetzen, die er vor sich ausgebreitet
hatte:
edelsteine, gold, armreife, ketten, breitling-uhren ...
da der zwerg steuererklaerungstechnisch eine absolute
unbekannte war, ist unschwer abzuleiten, dass er sich
all seine schaetze nicht auf legalem wege angeeignet hatte.
dem adler war das recht egal, fuer ihn war das geglitzer
eine wunderbare beutemarkierung. er stiess hinab und packte
den zwerg. jener kreischte bitterlich, rang mit dem uebermaechtigen
adler und waere wohl beizeiten in die luefte getragen
worden, haetten ihm die maedchen nicht abermals beistand
geleistet.
sie kaempften mit dem scharfkralligen riesen und es gelang
ihnen, den vogel zum ablassen zu bringen.
doch ein weiteres mal zeigte der zwerg seine undankbarkeit,
schimpfte ueber die laedierte kleidung, ueber die ungeschicktheit
der schwestern und er haette wohl auch noch den ganzen
restlichen tag geschimpft,
haette ihn nicht ein dumpfes brummen unterbrochen, welches
aus dem dickicht drang.
ein baer trat auf die lichtung und noch bevor der zwerg
fluechten konnte, war ihm der weg schon verstellt.
er flehte sogleich, der baer koenne doch alle seine habe
nehmen, verwies zudem auf seinen mickrigen kaloriengehalt
und auf die zaehigkeit seines alten fleisches. gleichsam
pries er die maedchen als nahrungsmittelalternative an.
doch der baer schlug ihn mit einem einzigen tatzenhieb
nieder und der schlag war so heftig ausgefuehrt, dass
der zwerg es mit seinem leben bezahlte.
just in diesem moment fiel der pelz des baeren von seinem
koerper ab und es erschien eine wunderschoene babtiste(n)gleiche
gestalt, ein juengling von beeindruckender schoenheit
und stolz.
"ich bin eines koenigs sohn." sprach er und
noch bevor er diesen satz beendete, verfiel schneeweisschen
in ewigliche liebe zum gewandelten.
wie es das wohlgesonnene schicksal wollte, hatte der prinz
einen ebenbuertigen bruder und so erschien es nicht unlogisch,
dass rosenrot sich selbigen zum gemahl erwaehlte.
und so wohnten fuerderhin die beiden paare sowie die mutter
der schwestern an einem stattlichen hofe und die mutter
vergass nicht, die beiden rosenstoecke umzupflanzen. und
so erfreuten sie sich noch viele jahre an ihrem schoenen
leben und an der rotweissen bluetenpracht der stoecke.
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